Caféhausgeschichten
In einem meiner Lieblingscafés, kürzlich. Draußen an einem der Tische, im warmen Grün umweht von einem sanften schwülen Lüftchen, sitzt ein älterer Herr, schlohweißes dichtes Haar, schwungvoll nach hinten gekämmt. Es ist einer jener seltenen älteren Herren, die noch ihren Hut lüften, wenn ihnen eine Dame begegnet, ein Kavalier alter Schule. Sein Hut liegt neben ihm auf einem Stuhl, das Sakko über der Stuhllehne. Die Körperhaltung ist gespannt. Er strahlt Vitalität aus, sein Handy klingelt ab und zu, er spricht mit ruhiger Stimme, gewohnt den Ton anzugeben. Anschließend greift er wieder zur Zeitung. Als der Kaffee gebracht wird, bedankt er sich bei der weiblichen Bedienung, dezent und freundlich. Angemessen kommt mir in den Sinn. Ein kurzer Blick, ein angedeutetes Kopfnicken, es wird weiter gelesen.
Nach einer Weile geht der Herr, nicht ohne ein höfliches Angrüßen, ein Lüften des Hutes, ein leises feines Lächeln auf den Lippen.
Als die Dame an einem der Tische im Schatten genug gelesen hat, genug Kaffee getrunken hat, genug Auszeit genommen hat vom Alltag und zahlen möchte, sagt die Bedienung: "Der Mann mit dem Hut hat für sie gezahlt." Ein kurzes Innehalten, ein Augenblick der Schwebe, ein feines stilles Freuen. Dies sind die kleinen Momente, die mit ihrem leisen Charme einfach so Einlass in den Alltag erlangen.
Pseuspektive - 24. Mai, 21:51
In einem meiner Lieblingscafés. Er wartet auf sie, nervös, nestelnde Hände, den Blick auf die Tür geheftet. Sie kommt herein, Blick direkt zu ihm, es scheint ein Stammplatz zu sein, langsamer Gang, traurige Augenschatten, beim Setzen abweisend: "Hallo." Er: "Danke, dass du gekommen bist." Als der Kaffee vor ihnen steht, er wieder mit den Händen nestelnd: „Es tut mir so Leid. Ich wollte dir nicht weh tun. Aber, ehe du es von Anderen erfahren hättest oder von selber drauf gekommen wärst, wollte ich es dir doch selber sagen. Bitte verzeih mir." Flehender Blick, der ihren sucht. Sie nickt zögernd. Gequälter gemeinsamer Augenblick, sein Versuch ihre Hände, die ineinander verkrampft sind, in seine zu nehmen. Ihr schmerzhafter offener Blick, Tränen steigen in die Augen, ihre Hände ziehen sich zurück, sie schüttelt den Kopf, sein Kopf sinkt geschlagen nach vorne. Blick nach unten, fast demütig. „Es tut mir so leid. Bitte… kannst du mir verzeihen? Ich will dich nicht verlieren. Du bist Alles." Sie wendet den Kopf zur Seite, den Schmerz im Blick. Tränen schimmern. Wendet sich ihm zu: "Wie stellst du dir das vor?" Er: "Bitte…" Sie: "…" Er: "Was kann ich tun? Ich habe doch keinen Kontakt mehr." Sie: "Das soll ich glauben? Wie?" Er blickt sie hilflos an, hebt die Hände mit den Handflächen nach oben, bietet ihr die Kehle. Sie, ausweichender Blick, greift nicht an. Wunder Blick, auf ihm ruhend, suchend: "Gib mir Zeit…" Das trifft, aber er nickt langsam, einen Blick zwischen Trauer und Hoffnung. Er begibt sich in ihre Hand, vertraut (ihr), hofft, lässt sie.
Wie vorsichtig sie miteinander umgingen, unmittelbar, fiel mir dazu ein. Ich wünschte ihnen im Stillen Glück.
Pseuspektive - 30. Mär, 09:51
In einem meiner Lieblingscafés am Nebentisch: Das ältere Paar, regelmäßiger Gast. Sie, ein Buch, vertieft. Er, ebenso vertieft in einer Zeitung. Einer großen Wochenzeitung und wie jedes Mal bin ich fasziniert wie er diese liest, ohne sich hinter ihr zu verstecken, sondern sie so hält, dass sein Gesicht zu sehen ist. Sie, den Kopf hebend: "Ich werde dir dein Herz brechen." Er, langsam den Kopf hebend: "Wieso?" Sie: "Du hast mir vor einiger Zeit meines gestohlen und du benötigst nicht zwei." Beim Sprechen entstanden kleine Fältchen um ihre Augen. Er beobachtete sie aufmerksam während sie sprach, blickte anschließend einen Augenblick aus dem Fenster und sagte dann, sich ihr wieder zuwendend: "Du bist aber nicht herzlos. Also hast du meines ganz offensichtlich auch gestohlen. Auch vor einiger Zeit." Beide lächeln sich leise an und versenken sich wieder in ihren Lektüren.
Ich bin fast vom Stuhl gefallen.
Pseuspektive - 20. Mär, 17:22